Konfirmandinnen und Konfirmanden bereiten die Stolperstein-Verlegung für ein Opfer der NS-Krankenmorde in Nierstein vor
„Ein Projekt, das extrem fordert“

Konfirmandinnen und Konfirmanden bereiten die Stolperstein-Verlegung für ein Opfer der NS-Krankenmorde in Nierstein vor

Wie wenig die Vergangenheit vergangen ist, wie sehr sie vielmehr bis in die Gegenwart hineinragt und unser Leben bestimmt, erfahren zur Zeit die Niersteiner Konfirmandinnen und Konfirmanden.  Unter Anleitung von Pfarrer Michael Graebsch und Jörg Adrian, im Geschichtsverein Nierstein zuständig für die Gedenk- und Erinnerungsarbeit, erarbeiten sie an Quellenmaterialien den Lebenslauf eines aus Nierstein stammenden Opfers der NS-Krankenmorde sowie die ideologischen Hintergründe dieser Verbrechen.

Zuvor hatten Angehörige den Geschichtsverein Nierstein um Unterstützung bei den Recherchen zu einer 1941 getöteten Großtante gebeten, gemeinsam konnte deren Biographie weitgehend rekonstruiert werden.  Den Familien wie auch den Verantwortlichen in Geschichtsverein und Kirchengemeinde ist es ein Anliegen, dass künftig an das ermordete Familienmitglied mithilfe eines Stolpersteines erinnert wird.

Im Schatten des Weltkrieges lief im Deutschen Reich eine furchtbare Maschinerie an: Mit einem „Führererlass“ Hitlers, datiert auf den 1. September 1939, wurde die Tötung vorgeblich „minderwertiger“ Menschen ermöglicht und scheinbar legalisiert. Auf dieser Grundlage verübten die Nationalsozialisten unter dem Deckmantel der „Euthanasie“ ihre Verbrechen an den Kranken und Schwachen in mehreren unterschiedlich organisierten Aktionen. Dabei wurden mehr als 200.000 psychisch kranke und geistig behinderte Menschen in psychiatrischen Anstalten getötet – ein systematischer Massenmord, der nicht irgendwo weit weg in Osteuropa stattfand, sondern gewissermaßen vor der eigenen Haustür, und der gleichzeitig der Ermordung der europäischen Juden den Weg ebnete.

Nach Erkenntnissen des Geschichtsvereins Nierstein befanden sich mindestens 24 Menschen aus Nierstein und Schwabsburg während der NS-Zeit in verschiedenen psychiatrischen Anstalten. Sechs von ihnen wurden nachweislich im Zuge der „Aktion T4“ zwischen Januar und August 1941 in Hadamar ermordet. Wahrscheinlich weitere fünf Männer und Frauen wurden im Rahmen der sogenannten „dezentralen Euthanasie“ ab 1941 an unterschiedlichen Orten getötet. Zwei kleine Jungen fielen der sogenannten „Kinder-Euthanasie“ auf dem Eichberg zum Opfer. Sieben Anstaltspatientinnen und -patienten überlebten aus verschiedenen Gründen die Verfolgung.

Die Konfirmandinnen und Konfirmanden setzen sich mit dem Lebenslauf eines Opfers dieser Krankenmorde auseinander. Sie werten Eintragungen im Geburtsregister ebenso aus wie einzelne Blätter aus den noch kurz vor der Verlegung in die Tötungsanstalt Hadamar angelegten Krankenakten. Sie beschäftigen sich darüber hinaus mit der menschenverachtenden Ideologie der Nationalsozialisten, namentlich mit ihren rassenhygienischen Vorstellungen von „wertvollen“ und „minderwertigen“ Menschen, die zur Vernichtung vermeintlich „lebensunwerten Lebens“ führte. „Und die jungen Leute nutzen die Gelegenheit, mit Angehörigen der Ermordeten über deren Motivation zur Aufarbeitung und Erinnerung zu sprechen. Eine wertvolle Erfahrung für alle Beteiligten“, so Jörg Adrian.

Die Jugendlichen erstellen begleitende Texte zum Gedenken, die anlässlich der Stolpersteinverlegung im kommenden Frühjahr vorgetragen werden sollen. Zugleich bereiten sie eine Präsentation ihrer Arbeitsergebnisse für das Projekt „Gewalt hat eine Geschichte“ des Jugendhauses Oppenheim vor. Dort dürfen sie im November das Thema der oftmals tabuisierten NS-Krankenmorde anhand ihrer Ergebnisse anderen Jugendlichen vorstellen. Auch eine gemeinsame Fahrt zur Gedenkstätte Hadamar ist geplant. „Das ist ein Projekt, das die Konfirmanden extrem fordert“, bestätigt Pfarrer Michael Graebsch, „das aber gerade in diesen Zeiten so wichtig ist!“

Erstmals wird in Nierstein der Opfer von nationalsozialistischen Medizinverbrechen gedacht werden. Dabei muss es allerdings nicht bleiben. „In manchen Familien besteht eine vage Ahnung, dass Vorfahren betroffen gewesen sein könnten, manche wissen es und konnten oder wollen bis heute nicht darüber sprechen. Es bleibt ein schwieriges Thema“, sagt Hans-Peter Hexemer, Vorsitzender des Geschichtsvereins. Nicht selten werden solche Traumata von einer auf die andere Generation vererbt.

Deshalb ist allen Beteiligten die Zusammenarbeit mit betroffenen Familien wichtig. So können sie bei der Recherche zu ihren Angehörigen unterstützt und, sofern dies gewünscht ist, die Verlegung weiterer Stolpersteine vorbereitet werden. Damit die Erinnerung an Menschen, denen unsagbares Leid zugefügt wurde, lebendig gehalten wird.

Jörg Adrian

Neuer Konfirmandenjahrgang 2024 / 2025

Für alle Jugendlichen die am 18. Mai 2025 in der Martinskirche konfirmiert werden möchten,
beginnt der Konfirmandenunterricht mit einem „Vortreffen“ am 7. Mai 2024 im Johannes-
Busch-Haus, Mühlgasse 28. Die Jugendlichen treffen sich dort um 17:00 Uhr.
Die Termine und Anmeldungen werden soweit die Adressen bekannt sind im März per Post
verschickt. Sollten Sie keine Anmeldeunterlagen bekommen haben, dann melden Sie sich
bitte im Ev. Pfarrbüro telefonisch oder per Mail. Wir senden Ihnen umgehend die
Anmeldeunterlagen per Post zu.
Achtung:
Anmeldeschluss für den Konfirmandenjahrgang 2024/2025 ist der 30. April 2024.
Bitte geben Sie bis zu diesem Zeitpunkt die ausgefüllten Anmeldeunterlagen im
Evangelischen Pfarrbüro, Mühlgasse 28 in Nierstein ab. Gerne können Sie zur Abgabe der
Anmeldeunterlagen den „silbernen Briefkasten“ am Johannes-Busch-Haus nutzen.
Vielen Dank

Terminplan Konfirmandenjahrgang 2024 / 2025